In der Fußgängerzone (Annastraße) hängt eine Tafel, die darauf hinweisen soll, dass Bartholomäus Welser, der “die ersten deutschen Kolonialunternehmungen nach Südamerika führte”, dort gelebt habe. Diese Tafel erscheint aus vielerlei hinsicht problematisch, da sie einerseits mit dem Begriff ‘Kolonialunternehmungen’ die wirtschaftliche Natur und Legitimation der Kolonisierung Venezuelas durch die Welser heraufbeschworen wird, ohne aber die zerstörerischen Auswirkungen dieser euphemisierend beschriebenen ‘Unternehmungen’ zu thematisieren. Bartholomeus de las Casas beschreibt die ‘deutschen’ Repräsentant*innen und ihr Wirken in Venezuela als besonders grausam und liefert in seinem “kurzgefassten Bericht von der Verwüstung der westindischen Inseln” beunruhigend anschauliche Beispiele für diese Beobachtung. Auch der Versklavungshandel, der im Vertrag mit Kaiser Karl V. festgeschrieben war und an dem die Welser sich ‘gewinnbringend’ beteiligten, bleibt in der Darstellung der Welsertafel ein verschwiegener Aspekt der ‘Kolonialunternehmungen’. Überdies wirkt die Darstellung der Welsertafel als besondere Errungenschaft (in) dem Augsburger Stadtbild und vernachlässigt die besondere ideologische Legitimation, die von diesem Narrativ für den deutschen Imperialismus und Kolonialisierung im 18. und 19. Jahrhundert ausgeht. Immer wieder wurde auf die ‘Kolonialunternehmungen’ der Welser Bezug genommen, um imperiale deutsche Kolonialbestrebungen zu rechtfertigen (Montenegro 2017).
Bemühungen zur Rekontextualisierung der Welsertafel hatte es bereits 1992 gegeben, als ein Zusammenschluss aus dem Verein Partnerschaft Dritte Welt/Werkstatt solidarische Welt, die Geschichtswerkstatt Augsburg e.V. und eine indigene Basisinitiative aus Venezuela und anderen lokalen Gruppen sich darum bemühten, eine weitere Gedenktafel zum Andenken an die indigenen Opfer europäischer Eroberung am Welserhaus anzubringen. Nachdem angeblich festgestellt wurde, dass Bartholomäus dort nie gewohnt hatte, wurde beschlossen alle Gedenktafeln vom Haus zu entfernen (obwohl dies bis heute nie umgesetzt wurde). Zugleich deuten die Archive laut lokalen Wissenschaftler*innen deutlich darauf hin, dass er dort gehaust hatte. Wie soll es also weitergehen mit der Tafel?
Quellen:
- Bartoloméus de Las Casas (1542): Kurzgefaßter Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder. Herausgegeben von Michael Sievernich, aus dem Spanischen von Ulrich Kunzmann. Insel Verlag
- Geschichtswerkstatt Augsburg e.V. und Werkstatt solidarische Welt e.V. 1994: Augsburger Kolonialgeschichten
- Montenegro, Giovanna. 2017: „The Welser Phantom“: Apparitions of the Welser Venezuela Colony in Nineteenth- and Twentieth-Century German Cultural Memory. In: Transit, Vol 11: 2, online unter: https://transit.berkeley.edu/2018/montenegro/#_ftnref5 [zugegriffen am 11.03.2022]
Zum Weiterlesen:
- Eine umfangreiche Chronik über die koloniale Beteiligung der Welser gibt es auf den Seiten von Fugger- und Welserstraße dekolonisieren
- Jan-Luc Treumann (2015): Nicht alles, was glänzt, ist sauber. Auf: Homestory Augsburg (Blog)