Vorläufiger Projektabschluss und Broschüre

Nicht nur in Deutschland und nicht seit der Protestbewegung „Black Lives Matter“ wurden zuletzt Forderungen nach einer Dekolonisierung des öffentlichen Raumes –  z.B. in der Auseinandersetzung mit Straßennamen und Denkmälern – sowie nach Aufarbeitung kolonialer Stadtgeschichten lauter. Es geht dabei um ein Bewusstsein für die Kontinuität kolonialer Praktiken und Beziehungsmuster sowie die Problematisierung von daraus abgeleiteten und als allgemein gültig verstandenen Narrationen, welche eine Vielzahl und Vielfalt an alternativen Perspektiven bis heute verdrängen.

Mit dem Transferprojekt Postkoloniale Perspektiven auf die Friedensstadt Augsburg wollten Mitarbeitende des Lehrstuhls für Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung in enger Kooperation mit lokalen Aktivist*innen an diese Dynamiken anknüpfen, um den schon länger geführten Diskurs über Augsburgs koloniale Vergangenheit aktiv weiter zu führen.

Das Projekt „Postkoloniale Perspektiven auf die Friedensstadt Augsburg“ fand im Juli 2022 einen erfolgreichen vorläufigen Abschluss. Vorläufig, da die Diskussionen rund um postkoloniale Erinnerung in Augsburg weitergehen werden – die im Rahmen des Projektes durchgeführten Veranstaltungen sind nun aber abgeschlossen und als Spurensammlung in der Broschüre Postkoloniale Perspektiven auf die Friedensstadt Augsburg dokumentiert.

Diese wurde bei der Augsburger Langen Nacht der Wissenschaft 2022 der Stadtöffentlichkeit zugänglich gemacht und kann hier heruntergeladen (PDF) werden.

Auf Anfrage können auch gebundene Broschüren zur Verfügung gestellt werden.

Rückschau: Peacebuilding and Reconciliation in the Great Lakes Region of Africa

Am 24. Mai 2022 durften wir den burundischen Friedensaktivist und Direktor der Great Lakes Peacebuilding Initiative Dieudonné Kibinakanwa begrüßen, der diesjähriger Preisträger des Mietek-Pemper Preises der Universität Augsburg für Versöhnung und Völkerverständigung ist. In einem Vortrag mit anschließender Fragerunde konnten Studierende der Universität Augsburg von seinen Erfahrungen im Afrikanische Große Seen Gebiet hören und darüber nachdenken, was ‚Frieden‘ in einer postkolonialen Welt auf lokaler Perspektive bedeuten kann. Herr Kibinakanwa gab zunächst einen Kontext über die Konfliktgeschichte in Burundi, die untrennbar mit regionalen Aspekten verflochten ist – deshalb müsse Konfliktbearbeitung in Burundi auch immer die Afrikanischen Großen Seen mit einschließen (Ruanda, Demokratische Republik Kongo, Tansania, Kenia, Uganda). Dies ist in historischer Perspektive auch deshalb von Bedeutung, weil große Teile dieses Gebietes einst unter deutscher Kolonialherrschaft standen (das Gebiet ‚Deutsch-Ostafrikas‘ umfasste die heutigen Länder Tansania, Ruanda und Burundi). Im Gespräch kam die Frage auf, ob und welche Zusammenhänge der deutschen Kolonialherrschaft mit den anhaltenden Konflikten im Gebiet der Großen Seen bestehen. Dabei fiel vor allem Neokolonialismus in den Blick, der sich in ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen und anhaltender Kontrolle über ehemalige Kolonien äußert – vor allem hinsichtlich der Konfliktrohstoffe in der Demokratischen Republik Kongo, deren Abbau zur anhaltenden Instabilität der Region beiträgt. Im Beitrag von Herrn Kibinakanwa wurde die Notwendig lokaler Friedensarbeit in Abgrenzung zu bestehenden elitegesteuerten Friedensprozessen deutlich. Seine Arbeit im Rahmen der eigens gegründeten Organisation MIPAREC (Peace and Reconciliation Ministry under the Cross) umfasste die Gründung von zahlreichen lokalen Friedenskommittees, in denen Dialog, Erinnerungskultur, restaurative Gerechtigkeit, aber auch soziale Rehabilitation erfolgen konnten. Kurzum geht es um die Schaffung von Räumen, in denen Menschen zusammenkommen, miteinander ins Gespräch kommen und der gemeinsamen Verluste gedenken können. Auf der anderen Seite wurde im Gespräch auch die Frage aufgeworfen, welche Spannungen zwischen lokalen Friedensinitiativen wie solchen, die im Rahmen von MIPAREC durchgeführt werden, und nationalen oder regionalen Friedensstrategien bestehen (können), und wie auf Dauer Nachhaltigkeit solcher Friedensstrukturen gewährleistet werden kann. Dass es durchaus Herausforderungen gibt, wurde während der Veranstaltung deutlich. Dass es aber von wesentlicher Bedeutung ist, Frieden lokal zu verankern, und die Beziehungshaftigkeit in der Gemeinschaft hervorzuheben, ist eine wichtige Erkenntnis aus dem einsichtsreichen Beitrag von Herrn Kibinakanwa.

Welche Rolle koloniale Verhältnisse in anhaltenden Konflikten weltweit spielen, dürfte kontextual, und hier im Fall Burundi / der Afrikanischen Großen Seen, vertiefter Forschung erfordern.