Zoo Augsburg

Illustriert von Nontira Kigle

Die Entstehungsbedingungen von Zoos in Deutschland sind eng mit kolonial-imperialen Begehrensstrukturen verbunden. Mit der Industrialisierung und einhergehender Urbanisierung knüpften die ersten Zoogründungen, z.B. 1844 in Berlin, an eine zunehmende Entfremdung innerhalb der städtischen Bevölkerung an und versprachen mit der Ausstellung ‘wilder’ Tiere (und Menschen) ‘authentische’ Erlebnisse, spektakuläre Abenteuer und Erholung vom Arbeitsalltag. Die entsprechenden Tiere wurden im Zuge kolonialer Eroberung als Kolonialwaren gehandelt – ein Geschäft, das z.B. Carl Hagenbeck, dem Namensgeber des Hamburger “Hagenbeck’s Tierpark”, zu großem Reichtum brachte. Aktivist*innen der Gruppe Decolonize Erfurt beschreiben “die Gefangenschaft der aus den Kolonialgebieten stammenden Tiere im Zoo” als Sinnbild “europäisch-weiße[r] Dominanz über den Rest der Welt” (Giesler/Winter/Kulenkamp 2019). In einem solchen Ethos kann auch die Entstehungsgeschichte des Augsburger Zoo’s eingeordnet werden, der 1937 gegründet wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg auch ‘exotische’ Tieren dauerhaft ausstellte. Vorher aber, in der Blütezeit des Kolonialimperialismus, hatte es auch in Augsburg sogenannte ’Völkerschauen’ gegeben, wo Menschen (analog zu ‘wilden Tieren’) aus kolonisierten Ländern oft in Wanderausstellungen zur Schau gestellt wurden. Bei den sogenannten Völkerschauen wurden Menschen aus kolonisierten Gesellschaften zur Schau gestellt, die als „anders“ und „exotisch“ präsentiert und inszeniert wurden. Entstehungsbedingungen und Konzeption solcher Schauen sind eng mit Kolonialismus und Imperialismus verbunden, denn in ihnen wird die Unterlegenheit sogenannter ‚Naturvölker‘ eine zentrale Projektionsfläche für die eigene Überlegenheit und Zivilisation.  

’’In der Völkerschau waren wir das, was sich die Menschen in Europa in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter ’Afrikanern’ vorstellten, ungebildete, mit Baströcken bekleidete, kulturlose Wilde.’’ (Theodor Wonja Michael)”

Decolonize Erfurt: Völkerschauen und Exotismus: die Kolonialität des Zooparks

Die rassifizierende, stereotype Darstellung von exotischen, ‘wilden’ Menschen, ermöglichte bei den (Augsburger) Zuschauer*innen die Herstellung eines entwickelten, zivilisierten Selbstbildes, das sich in Abgrenzung zum, und Distanzierung vom ‘Wilden’ konstituiert (Othering). Damit manifestierte sich in den Völkerschauen ganz konkret die imaginierte Legitimationsgrundlage, um koloniale Herrschaft zu rechtfertigen. 

In der historischen Forschung über Völkerschauen in Deutschland allgemein, in Augsburg im Konkreten, werden verschiedene Erklärungsmuster für die Entstehung und Beliebtheit von Völkerschauen angeführt. Während einige Forscher*innen in ihnen primär ein kommerzielles Unternehmen sahen, durch das besagte Fantasien und Vergnügung für die lokale Bevölkerung in den Mittelpunkt rückte, betonen andere, dass die darin präsentierten Inszenierungen „zu den Mechanismen der Vereinnahmung und Verharmlosung außereuropäischer Kulturen durch Europa [gehörte], ein Prozess, der parallel zur gewaltsamen Vereinnahmung durch die Kolonialmächte in Übersee stattfand“ (Dreesbach 2005, 324). Die dargestellte Unterlegenheit und Rückständigkeit der ausgestellten Völker diente sodann auch zur Legitimierung ihrer Kolonisation und Zivilisierung. Beide Erklärungsrichtungen schließen sich jedoch nicht aus – Kommerz und Konsum sind eng mit Kolonialismus verschränkt. 

Zu trauriger Bekanntheit gelangte der Augsburger Zoo für seine Aktionstage des “African Village” im Jahr 2005, für die er versprach, in einer ’’einmaligen afrikanische[n] Steppenlandschaft’’ nicht nur die Produkte und Dienstleistungen von ’’afrikanischen Silberschmieden’’ und „Zöpfchenflechtern“ anzubieten, sondern eine ’’Atmosphäre von Exotik’’. All diese im Werbetext auffindbaren Assoziationsräume wurden dafür kritisiert, in konzeptioneller wie praktischer Hinsicht direkt in der Tradition der Völkerschauen zu stehen und den kolonialen Blick weißer Gesellschaften auf ehemals kolonisierte Gesellschaften des so heterogenen und facettenreichen Kontinents Afrika zu reproduzieren. Dieser wird schließlich mit der Veranstaltungsbeschreibung als ‚African Village‘ homogenisiert und auf ein ‚Dorf‘ reduziert. Damit werden auch koloniale Stereotype reproduziert, betonten mitunter die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) und der Verein für Schwarze Frauen (ADEFRA e.V.) in ihren Protestschreiben und Protestaktionen. In ihrem offenen Brief heißt es:

„Die Reproduktion kolonialer Blick-Verhältnisse, in denen Schwarze Menschen als exotische Objekte, als Un- oder Untermenschen in trauter Einheit mit der Tierwelt in einer offenbar zeitlosen Dörflichkeit betrachtet werden können und den Mehrheitsdeutschen als Inspiration für künftige touristische Reiseziele dienen, ist wohl kaum als gleichberechtigte kulturelle Begegnung zu verstehen. Abgesehen davon, dass der afrikanische Kontinent nicht nur aus “Savanne” und “Dorf” besteht und sich nicht unter einem singulären Kulturbegriff (“African Village”) subsumieren lässt, spricht die gesamte Herangehensweise der VeranstalterInnen von einer erschreckend ungebrochenen Verdrängung historischer Kontinuität, mit der die Aneignung und Einverleibung vermeintlich exotischer Orte und Menschen immer wieder neu begründet werden kann“.

ISD 2005: Briefwechsel im Zusammenhang mit dem “African Village” im Augsburger Zoo 2005


Quellen:

Zum Weiterlesen: