Schaezlerpalais

Illustriert von Nontira Kigle

Das Schaezlerpalais ist ein eindrucksvolles Bürgerhaus in der Maximilianstraße, das vom Augsburger Bankier Benedikt Adam Liebert v. Liebenhofen im Jahr 1764 errichtet wurde. Seit 1945 wurde es bereits, laut Kunstsammlungen und Museen Augsburgs, ”museal genutzt, zunächst mit Sonderausstellungen belebt und ab 1951 mit Präsentationen der städtischen Sammlung bespielt”. Die Deutsche Barockgalerie befindet sich dort seit 1970, und stellt Gemälde des Barock und Rokoko (des 17. und 18. Jahrhunderts) aus. Aus postkolonialem Blickwinkel ist das Schaezlerpalais in vielerlei Hinsicht erwähnenswert, weil Kunstwerke aus dem Barock und Rokoko uns Einblicke in Weltbilder, Selbst- und Fremdbilder der Zeit verschaffen können. 

Einen solchen Einblick gewährt uns das Deckengemälde im sog. Rokoko-Festsaal, das von Freskenmaler Gregorio Guglielmi stammt und den Titel „Die weltumspannende Macht des Handels“ trägt. Es zeigt eine Allegorie des von Europa dominierten, und von dort auch imaginierten Welthandels.

Kritische Perspektiven sehen in dem Deckengemälde die Versinnbildlichung eines eurozentrischen Weltbildes, das den Reichtum Europas als endogene Errungenschaft darstellt und zugleich verschweigt, wie diese Reichtum auf der Ausbeutung, Versklavung und Unterwerfung des Restes der Welt beruht. Ein solches Weltbild beruht außerdem darauf, dass Europa sich selbst ins Zentrum der Welt rückt und als Maßstab für Entwicklung, Fortschritt, Moderne begreift. 

Eine anschauliche Beschreibung dieser Malerei liefert die Broschüre „Augsburger Kolonialgeschichten“ (1994): 

In der Mitte thront „Europa“ auf Wolken, umringt von Symbolen europäischer Macht und hiesiger Zivilisation. Für die Kunst stehen Palette, Buch und Violine, für die Architektur der Zirkel, für Recht und Staatsgewalt Gesetzestafeln und Faszienbündel. Die Kriegskunst repräsentieren Kanone, Rüstung, Trommeln und Fahnen. Eine Ruhmesgöttin posaunt den Ruhm in alle Welt hinaus. Rechts unter „Europa“ liegt Chronos, der Gott der Zeit, mit Früchten zu seinen Füßen. Der Handelsgott Merkur schüttet mit einem überquellenden Füllhorn den Reichtum aus, den der internationale Warenhandel Europa brachte. An den Rand gedrückt drei Erdteile und deren Schätze: „Afrika“ zeigt Elfenbein und einen Vogel Strauß. „Asien“ glänzt mit Perlen und Korallen. Für Amerika stehen eine „I*********“ (das Wort „Indianer“ ist eine Fremdbezeichnung mit starker Verallgemeinerung) sowie ein Goldgräber. Dort sieht man im Hintergrund ein Schiff, das Verkehrsmittel, mit dem die Schätze transportiert und Europa reich gemacht wurde. Der Kontinent Australien fehlt, weil er damals den Europäern noch unbekannt war.

Geschichtswerkstatt Augsburg e.V. und Werkstatt solidarische Welt e.V. (1994): Augsburger Kolonialgeschichten: Schaezlerpalais

Von seiner Aktualität hat das Deckenfresko bis heute kaum etwas eingebüßt, denn anhaltende neokoloniale Kontinuitäten zementieren die seit der kolonialen Expansion in das Weltwirtschaftssystem eingeschriebenen Abhängigkeitsverhältnisse des Globalen Südens vom Globalen Norden.

Im Rahmen des Projektes ‚Das inklusive Wir in Augsburg‘ (DIWA) arbeiten die Kunstsammlungen aktuell an der Aufarbeitung kolonialer Verbindungen in ihren Ausstellungen. Mit der begleitenden App „Kunstsammlungen und Museen Aux“ lassen sich die Ausstellungen neu entdecken und mit verschiedenen Touren die Geschichten hinter den ausgestellten Objekten zu erfahren, wie zum Beispiel „Schwarze Menschen in der Kunst – der frühneuzeitliche Blick Europas auf die Welt“ oder „Missing Stories – über Augsburg, den deutschen Kolonialismus und Zwangsarbeit„. Mehr Informationen zur App finden sich hier: https://kunstsammlungen-museen.augsburg.de/app


Quellen:

Zum Weiterlesen:

  • Weber, Nicki (2022): Neokolonialismus genau betrachtet: Versuch einer umfassenden Begriffsbestimmung, in: W&F – Wissenschaft und Frieden 2022: 2, 28-31.
  • Pauls, Christina (2022):  Neokolonialer Frieden?! Die koloniale Unterseite modern-liberaler Friedensvorstellungen, in: W&F – Wissenschaft und Frieden 2022: 2, S. 42 – 45
  • Zöhrer, Michaela (2022): „Schablonen im Kopf. Koloniale Kontinuitäten im Wahrnehmen, Denken und Handeln“. in: W&F – Wissenschaft und Frieden 2022: 2