Erlebnismuseum

Illustriert von Nontira Kigle

Museen sind als Einrichtungen untrennbar mit der kolonialen Expansion verbunden, stellen aber auch Möglichkeiten dar, Erinnerungsorte zu schaffen, an denen Besucher*innen mit Geschichte(n) relational in Beziehung treten können. Problematisiert wird aus post-und dekolonialer Perspektive oftmals, dass Museen in Europa primär von weißen Kurator*innen gestaltet werden – so wird eine einseitige Narration reproduziert, in der imperiale und koloniale Vergangenheit glorifiziert und ‚die Anderen‘ als passive Opfer, Objekte oder gar als Feinde dargestellt werden. Andrea Meza Torres identifiziert diese einseitige Repräsentation von Geschichte als eine spezifisch weiße Erinnerung:

„[d]enn die Macht des Kolonialismus liegt in der Art und Weise, wie ‚Weißsein‘ unsichtbar gemacht wird, und dadurch scheint es, als ob das ‚Kollektivgedächtnis‘ sich aus dem Konsens und der Beteiligung der Gesellschaft heraus konstruiert. In Wahrheit wird es jedoch von einer homogenen Gruppe konstruiert, die sich als ‚weiß‘ identifiziert – aber eben ohne dies explizit deutlich zu machen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass mit diesem konstruierten ‚Kollektivgedächtnis‘ die gesamte Gesellschaft repräsentiert wird.“

(Andrea Meza Torres 2017, 142)

Das Fugger-und Welser Erlebnismuseum ist laut eigenen Angaben „ein Haus, das die Bedeutung der Augsburger Kaufmannsfamilien im frühen 16. Jahrhundert erlebbar macht“ und hat zum Ziel „die wirtschaftliche Rolle Augsburgs und seiner Kaufmannsfamilien an der Wende vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit zu beleuchten„, um auf dieser Grundlage zum Nachdenken und verantwortungsbewusstem Handeln anzuregen. Es hat sich seit einigen Jahren – angeregt mitunter durch das unermüdliche Engagement lokaler Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen – auf einen kolonialismuskritischen Weg begeben, indem es beispielsweise Perspektiven aus dem außereuropäischen Raum einbindet. Die Felsmalereien von La Lindosa, sowie Podcastbeiträge von Menschen aus dem südamerikanischen Raum, erhalten inzwischen mehr Raum, sowohl in der Dauerausstellung, als auch auf der Online-Präsenz des Museums. Auch im Kellerbereich wurde die Dauerausstellung um eine wichtige Komponente des transatlantischen Versklavungshandels ersetzt. Das ist zunächst zu begrüßen, sollte laut einigen Aktivist*innen aber weiterhin kritisch begleitet werden. Denn es geht bei musealen Repräsentationen nicht nur um Teilhabe und Partizipation rassifizierter Personen, während Struktur und Bedeutung des Museums unverändert bestehen bleiben. Viel mehr sollte es laut Andrea Meza Torres darum gehen, grundlegende Dialoge und „Reflexion über die epistemischen Beiträge dieser ko-kuratierenden, nicht-europäischen Personen oder Migrant*innen“ (S.146) einzugehen. Solche Dialoge wagen es, auch über eurozentrische Epistemologien hinauszugehen und könnten selbst das Museum transformieren, sofern menschen es zulassen. Das Fugger- und Welser-Erlebnismuseum ist im Rahmen der kritischen Aufarbeitung intensiv an solchen Dialogen beteiligt, z.B. im Podcast Augsburger Weltfunk: Folgen des Kolonialismus der Werkstatt Solidarische Welt e.V., oder aber mit der geplanten Vernissage „4578“ der afro-amerikanischen Künstlerin Veronica Jackson. Wie aber kann ein intensiverer und wertschätzender Austausch mit venezolanischen Perspektiven gelingen, die unmittelbar von der Welserkolonie betroffen waren? Oder aber mit den Nachkommen der vom afrikanischen Kontinent entführten, versklavten und verschifften „4578“ Menschen? Wie sich also dieser intensive rassismus- und kolonialismuskritische Prozess des Museums auf die – aus post- und dekolonialer Sicht erhoffte – Transformation der Deutungshoheit und des musealen Raumes auswirkt, bleibt weiterhin zu beobachten und aktiv zu begleiten.


Quellen:

  • Meza Torres, Andrea (2017): „Dekolonisation des kollektiven Gedächtnisses in den Museen der Stadt“. In: Decolonize the City! herausgegeben vom Zwischenraum Kollektiv. Münster: Unrast Verlag.

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